Man identifiziert und misst außergewöhnliche Intelligenz durch äußere Faktoren wie zum Beispiel Leistung und Erfolg. Manchmal werden persönliche Beobachtungen mit einbezogen, indem zum Beispiel beobachtet wird, wie ein neun Monate altes Kind bereits beginnt, in ganzen Sätzen zu sprechen, oder wie ein Kleinkind anfängt, aus den Buchstaben der Nudelsuppe Worte zu legen statt sie zu essen. Manchmal wird ein Kind formal mit standardisierten Tests getestet oder es werden Fragebogen oder Portfolios erstellt, die die Gedanken oder Projekte der Kinder dokumentieren. Unabhängig von der Methode müssen zwei Aspekte fokussiert werden: Talent und Persönlichkeit.

Wenn man das Talent definiert und misst, verfügt man über Bewertungsskalen. Begabung bekommt Namen wie IQ, Erfolg, Leistung, Noten, Talente, etc. und sie scheinen wie außerhalb des Kindes zu existieren, eine Realität, die mit Graden, Pokalen, Titeln und Karriere, Positionen und Anerkennung zu tun hat.

Es ist jedoch wichtig daran zu erinnern, dass Hochbegabung vor allem in Kindheit und Jugend eine interne Realität ist, ein sozialer und mentaler Prozess, der außerhalb der Norm läuft. Leistung, so wichtig sie auch sein mag, ist nur ein Ausdruck dieses mentalen und emotionalen Prozesses. Leistung mag Fluktuationen unterliegen, je nachdem, wie das Leben und die Umstände eines Kindes sein mögen.

Die Phänomenologie der Hochbegabung allerdings existiert losgelöst davon. Jenseits des Erfolgs bleibt die innere Abweichung von der Norm ein Leben lang bestehen. Diese innere Abweichung beinhaltet zum Beispiel die Intensität des Gefühlslebens, eine außergewöhnliche Wachheit, eine große Bandbreite an Komplexität und Paradoxien und die Anlagen für ein außerordentlich tiefes Verständnis für Moral, Gerechtigkeit und menschliche Entwicklung. Während der Kindheit und darüber hinaus können diese Eigenschaften sich entwickeln oder verkümmern, je nachdem wie sie erkannt, verstanden und durch die Erwachsenen angenommen und gefördert werden.

Zum Beispiel kann ein Kind, das sinnlose Gewalt und rücksichtslosen Wettbewerb als gesellschaftszerstörend erkennt, darüber zweifeln und depressiv werden aus Sorge um die humanistische Zukunft der Menschheit. Es wird sich vielleicht zurück ziehen und verbittert und einsam sein Leben sinnlos verbringen. Oder es wird sich selber das Ziel setzen, die Wurzeln des Übels und der Konflikte zu ergründen, und sein eigenes Leben dem Völkerverständnis und dem Frieden verschreiben.

Oft werden die intellektuellen Ergebnisse hochbegabter Kinder gewürdigt, während ihre Charakterzüge und emotionalen Bedürfnisse und Fähigkeiten unerkannt oder gar abgelehnt werden. Wenn wir nur darauf achten, was hochbegabte Kinder leisten können, und die vitalen Aspekte ihres Selbstwertgefühls missachten, laufen wir Gefahr, ihr inneres Wachstum und ihren Selbstwert zu bremsen oder es gar zu zerstören.

Einige Eltern und Erzieher wünschten sich, dass sich das hochbegabte Kind normal verhalte wie alle anderen Kinder auch, ausgenommen seine intellektuellen Fähigkeiten. Sie versuchen, diese Normalität durch Druck, Grenzen und Anpassung zu erreichen. Sie hoffen, dass dadurch das Leben mit den Kindern viel einfacher würde! In Wirklichkeit passiert genau das Gegenteil! Die Kinder werden immer schwieriger. Auch in den Medien wird dieses Bild der eigentlichen Normalität immer wieder beworben und die Eltern damit beruhigt, dass, wenn man das Kind nur genügend fördere, sich das Kind gleich entwickeln würde wie die anderen Kinder und das Angebot an mannigfaltigen Kursen zur intellektuellen Förderung steigt ständig an.

Dies ist jedoch nicht der Fall. Natürlich sind die Kinder mit kindlichen Bedürfnissen, sie wollen spielen, angenommen und geliebt werden, so wie sie sind, und das Leben erobern. Aber sie sind auch zweifellos anders. Ein Kind, das früher lesen kann als andere Kinder ist nicht bloß ein Kind, das eine bestimmte Fähigkeit früher erfasst als andere. Seine Lebenserfahrung wird zu einer anderen als die der anderen Kinder, die in seinem Alter noch nicht lesen können. Lesen entwickelt seine intellektuellen Fähigkeiten schneller und exponiert es gleichzeitig mannigfaltigen Informationen, Gefühlen und Gedanken Erwachsener, mit denen sich das Kind bereits auseinandersetzt und die oft schwer zu verdauen sind. Darüber hinaus entsteht ein vernetzteres Gehirnwachstum. All diese Prozesse weichen ab von der Norm, so dass die Einzigartigkeit mit der Zeit zu- und nicht abnimmt.

Hochbegabte Kinder integrieren heißt, ihnen die Chance zu geben, sich in ihrem natürlichen Umfeld als Kinder unter den anderen Kindern wohl zu fühlen. Das setzt voraus, dass im ganzen Kindergarten eine Bewusstseinsentwicklung der Erzieherinnen und aller Kinder stattfindet, die sowohl das Verständnis für die Aspekte der Norm als auch für diejenigen, die außerhalb der Norm stehen, umfasst.

Die Gerechtigkeit einer Begabungsförderung liegt in der Chancengleichheit und der Gleichwertigkeit und nicht in der Gleichmacherei der Kinder.

Daraus ergeben sich die folgenden Schwerpunkte in der integrativen Begabungsförderung aller Kinder im Kindergarten, nämlich, dass die Integration, der Umgang und die Persönlichkeitsentwicklung an erster Stelle steht und dann darin eingebettet eine Talententwicklung stattfinden kann, die allen Kindern gerecht wird und zugute kommt. Eine ausschließliche Talententwicklung fördert die innere Asynchronie und den sozialen Ausschluss durch Neid und Ängste.

Zum Thema Hochbegabung gibt es unglaublich viel zu sagen; zuviel, um es auf ein paar Seiten vollständig abhandeln zu können.

Deshalb finden Sie hier einige Literaturangaben, die Ihnen bei diesem umfangreichen Thema sicherlich weiterhelfen werden: